Briefe an Bäume und Wolken

Briefe an Bäume und Wolken

von Matei Visniec (Deutschsprachige Erstaufführung)

Der leere Mann wacht auf und stellt fest, dass er leer ist. Eines Tages steht mitten auf der Straße ein herrenloses Klavier und reißt die Anwohner aus ihrem Trott. Sie finden zueinander und schmieden größenwahnsinnige Pläne. Eine Krankheit grassiert, Menschen sterben an den Geräuschen des Alltags. Gutmeinende Zeitgenossen leisten falsche Hilfe, während ein tragisches Schicksal zwei Nachbarn endlich miteinander ins Gespräch bringt. Inmitten dieser absurden Situationen fragen sich junge Menschen, was mit der Welt und der Gesellschaft eigentlich nicht stimmt.

Wie gelingt ein Wandel von Furcht zu verantwortungsvollem Handeln?

Es wird konstruiert, gezimmert, aufgerichtet, ausgerichtet, eingerichtet, umgestoßen, gegraben, gezogen und verschoben. Eine Kettenreaktion des Scheiterns. Und doch gibt es Hoffnung. Im Wahrnehmen eines Gegenübers und in der Phantasie.

Absurd komisch, poetisch und zum Dahinschmelzen schön.

Matei Visniec, Jahrgang 1956, stark beeinflusst vom Dadaismus, Surrealismus und dem Theater des Absurden, zählt in seinem Herkunftsland Rumänien zu den meistgespielten Bühnenautoren der Gegenwart.

mit Markus Beisl, Denis Fink, Doris Länglacher, Anja Neukamm; Ardhi Engl 

Regie: Arno Friedrich Assistenz: Andreas Klindt Musik: Ardhi Engl Bühne & Ausstattung: Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt Licht: Jo Hübner Technische Einrichtung: Max Reitmayer

Aus dem Französischen von Christina Weber, mit Texten aus „Zersetztes Theater“, ebenfalls von Matei Visniec. Aufführungsrechte THEATERSTÜCKVERLAG im DREI MASKENVERLAG, München

Erstaufführung: 7. Dezember | 20 Uhr

Vorstellungen bis 20. Januar 2024, do, fr, sa | 20 Uhr

im theater VIEL LÄRM UM NICHTS, München

Eintritt: 23.- €

Schüler/Studenten: 15.- €

Gruppenpreis

ab 7 Personen: 20.- €

Schüler-/Studenten-

Gruppen: 12.- €

Donnerstag theatertag!
3 Euro Ermäßigung auf alle Tickets
(Ausgenommen Gruppenpreise)

PRINT@HOME/MOBILE Tickets: www.theaterviellaermumnichts.de (Gilt auch für ermäßigte Karten!)

Pressestimmen

„Eine eindrückliche Parodie auf die deutsche Kultur. (…) „Briefe an Bäume und Wolken“ erinnert daran, sich Zeit zum Träumen zu nehmen und weniger verkrampft durch das Leben zu gehen, auch wenn es grausam ist.“ (Süddeutsche Zeitung)

ZUR INSZENIERUNG – subversive Gedankengymnastik

Das Treiben der Welt und ihrer Bewohner ist aus Kinderaugen betrachtet mehr als absurd. Junge Menschen haben aber (noch) die Fähigkeit, mit der Tatsache, von der Welt nur wenig zu verstehen gelassen umzugehen.

Als „Erwachsener“ oder „älterer Mensch“ hingegen, glaubt man häufig, die Welt als solche sei umfassend begreifbar, oder man hätte die uns umgebenden Verstrickungen und Zusammenhänge bereits begriffen. Der kindliche Blick verzweifelt nicht angesichts der Unerklärlichkeit und Ambivalenz der Welt. Dieser Blick auf die Welt kommt gut damit zurecht, dass es mehr als nur Schwarz und Weiß gibt und ist ein zentrales Element in Visniecs Szenencollage „Briefe an Bäume und Wolken“.

Statt dem Unterricht zu folgen schreibt ein Kind an den Baum vor dem Klassenzimmerfenster . Er, der Baum solle sich bitte schnell in Sicherheit bringen, denn es wimmelt anscheinend nur so vor Terror, Krieg und Baggern, Verrückten und Wahnsinnigen in der Welt. Angeblich laut dem Vater speziell im Wald. Dort wurde spielen verboten. Der Stadtbaum soll also fliehen, aber nicht in den Wald.

Im Wald lauerten schon immer Gefahren. Das Unbekannte, Fremde, zwielichtige Gestalten, hinterlistige Banditen, Partisanen, Hexen, Aktivisten. Ausgestossene der Gesellschaft, freiwillig und unfreiwillig Fortgegangene, Für uns ein idealer Möglichkeitsraum. Der Theaterraum ist bei uns ein Ort zwischen Wald und Werkstatt, Atelier, Baustelle und Baugrube. 

Mit dem Material Holz erforschen wir Vorgänge des Konstruierens und Dekonstruierens, des Scheiterns und Triumphierens, dessen musikalisches und szenisches Potential, als Objekte im Raum und im Sinn des Physical Theatre. 

So bewegen sich die Figuren in „Briefe an Bäume und Wolken“ zwischen ganz profanen Scheitern, kleinen und großen Fehlschlägen, aber auch in Hirn zermarternden Denkanstrengungen, denen kein Paradox fremd ist.

Das Stück ist ein Balanceakt auf einer dünnen Linie zwischen aufstrahlender Hoffnung und Verzweiflung angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher Problemstellungen wie sozialer Abkapselung, Vernichtung von Natur & Umwelt, Massenwahn, Turbokapitalismus, Tech-Irrsinn, Auslöschung von Kunst und Träumen.

Obwohl bereits 1996 erschienen, ist „Briefe an Bäume und Wolken“ ein äußerst gegenwärtiger Text, der nun bei uns zur deutschsprachigen Erstaufführung kommt. Und zwar mit viel Komik, großem körperlichen Einsatz und live begleitet vom Klangkünstler Ardhi Engl.

Matei Visniec

Einer, der sein Dasein in der Unfreiheit zubrachte, hat von Freiheit eine Vorstellung, die aber der Freiheitserfahrung, nämlich dem, was ein in Freiheit Lebender als Normalzustand empfindet, nicht im entferntesten entspricht.

Visniec hat mehrfach versucht, das moralische Elend, das im totalitären Rumänien existenzbestimmend war, literarisch zu fassen, im Gedicht, im Drama und auch im Roman kenntlich und begreifbar zu machen

Anfang 1956 im Städtchen Radauti in der Südbukowina am Nordrand Rumäniens geboren, lebt er seit 1987 in Paris, studierte dort Philosophie und versucht dem Geheimnis von Widerstand und Anpassung in der Kultur und durch die Kultur auf den Grund zu gehen.

Ehe Matéï Visniec Ceausescu-Rumänien 1987 den Rücken kehrte, hatte er zwei Lyrikbände veröffentlicht und einige Bühnenstücke geschrieben, die damals dort keine Chance hatten, aufgeführt zu werden.

Der eigentümliche Klang von Visniecs Poesie ist durch bitter melancholisch unterlegte Ironie geprägt, bildet verspielt kleine in sich geschlossene Figuren oder steuert gekonnt auf überraschende Pointen zu. Das augenzwinkernde Spiel mit dem klugen Leser, der die Texte des Dichters mit dem allgemeinen Kontext in Verbindung bringen musste, um die jeweilige Botschaft zu entschlüsseln, spielte Matéï Visniec stets mit besonderer Eleganz. 

Visniec schafft es so, hohen literarischen Anspruch mit Realitätsnähe und subversivem Gestus zu verbinden, obwohl die poetische Qualität weit vor der politischen Schärfe rangiert, wie das in ganz Osteuropa als Reaktion auf die gewaltsame Instrumentalisierung üblich war.